Prävention von sexueller Gewalt an Kindern im Primarschulalter

Gelungene Elterninformation zum Thema „Prävention von sexueller Gewalt an Kindern im Primarschulalter“

Was würden Sie tun, wenn ein 10 jähriges Nachbarskind erzählt, dass es nach dem Training nicht mehr duschen wolle und auch nicht mehr gerne ins Training gehe? Diese und andere Fragen wurden unter anderem an einem Informationsabend zum Thema „Prävention von sexueller Gewalt an Kindern im Primarschulalter“ diskutiert.

Am 9. Februar 2010 fanden sich etwa 80 Eltern im Hirschensaal ein, um sich mit diesen wichtigen und nicht immer einfachen Thema zu befassen. Die Referentin Karin Iten und ihre Begleiterin Corinna Elmer von der Fachstelle Limita (Fachstelle zur Prävention sexueller Ausbeutung von Mädchen und Jungen, Zürich) führten mit den Fragen „Worum geht’s?“, „Wie erkennen?“, „Wie reagieren?“ und „Wie vorbeugen? “durch den Abend.

Im Folgenden sind einige wichtige Punkte zusammengefasst.

Zunächst geht es darum, wie Fälle sexueller Gewalt erkannt werden können. Allgemein lässt sich festhalten, dass für alle Eltern ein guter und wachsamer Kontakt zum Kind wichtig ist, d.h. man sollte immer gut hinhören, was ein Kind erzählt. Weitere Hinweise bieten auffälliges, sexualisiertes Verhalten, welches sich zum Beispiel im Spielen äussern kann. Etwa 90% von sexuell ausgebeuteten Kindern spielen das Erlebte nach und machen so auf sich aufmerksam. Andere mögliche Erkennungsmerkmale sind körperliche Symptome (Verletzungen im Genitalbereich), psychosomatische Störungen wie Bauchweh, Schlafstörungen, und emotionale Symptome, wie Verstimmungen und Ängste.
Wenn ein Verdacht auf sexuelle Ausbeutung besteht, ist es wichtig, dem Kind zu glauben, und ganz ruhig zu überlegen, wie und wo man sich Hilfe holen kann und was genau zu tun ist, um weitere sexuelle Übergriffe auf das Kind zu vermeiden. Mögliche Anlaufstellen sind CASTAGNA, Beratungsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder und weibliche Jugendliche, 8006 Zürich, www.castagna-zh.ch(link is external), oder auch das Jugendsekretariat Bezirk Hinwil.

Ein Hauptanliegen des Abends war die konkrete Information der Eltern, was jede/r präventiv tun kann, damit es möglichst gar nicht zu sexuellen Ausbeutungen kommt, bzw. die Kinder stark genug werden, um von ihren Geheimnissen von Anfang an zu berichten, so dass der/die TäterInnen keine Chancen haben, ihre Ziele zu erreichen.
Zum Schutz vor Fremdtätern ist es wichtig, mit dem Kind immer zeitliche und örtliche Vereinbarungen über seinen Aufenthaltsort zu treffen. Die folgenden Fragen können für Kinder eine Stütze im Alltag sein: Wissen meine Eltern, wo ich bin? Kann ich Hilfe holen, wenn ich sie brauche? Habe ich ein gutes Gefühl?
Des Weiteren sind eine gute Sexualerziehung, Medienkompetenz und das persönliche Stärken wichtig für das Kind, um es vor Übergriffen zu schützen. Denn nur ein starkes Kind ist in der Lage Nein zu sagen. Und nur das Kind, welches die Worte kennt, um das Erlebte zu erzählen, wird in der Lage sein, seinen Vertrauenspersonen zu berichten.
Die Broschüre „Sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Jungen – Wie kann ich mein Kind schützen? Informationen und Anregungen für Eltern und Bezugspersonen von Kindern“ 2008, Corinna Elmer Limita, Zürich enthält ein 7-Punkte-Programm (siehe Kasten) von Massnahmen, die in den Erziehungsalltag einfliessen sollten (schützen) und Anregungen für Eltern und Bezugspersonen von Kindern.

7-Punkte-Prävention

  1. Dein Körper gehört dir!

    Du bist wichtig und dein Körper ist einzigartig und wertvoll. Du kannst stolz auf ihn sein. Über deinen Körper entscheidest du allein und du hast das Recht zu bestimmen, wie, wann, wo und von wem du angefasst werden möchtest.
    Ein gutes Körperbewusstsein bildet die Grundlage für ein gutes Selbstbewusstsein. Ein sicheres und selbstbewusstes Körpergefühl hilft, Grenzverletzungen klarer wahrzunehmen und sich dagegen zu wehren.

  2. Deine Gefühle sind wichtig!

    Du kannst deinen Gefühlen vertrauen. Es gibt angenehme, da fühlst du dich gut und wohl. Es gibt aber auch solche, die sind unangenehm. Du hast das Recht, komische, blöde und unangenehme Gefühle zu haben. Sie sagen dir, dass etwas nicht stimmt und dir nicht gut tut. Du darfst deine Gefühle ausdrücken und mit uns darüber sprechen, auch wenn es schwierige sind und du glaubst, dass sie nicht zu einem Mädchen oder einem Jungen passen.
    Ein Mädchen oder ein Junge soll seine Gefühle wahrnehmen, kennen und ihnen vertrauen dürfen. Ein Kind, dessen Empfindungen ernst genommen werden, kennt seine Gefühle besser und kann eher darauf beharren, dass sich etwas komisch, eklig oder unangenehm anfühlt.

  3. Angenehme und unangenehme Berührungen

    Es gibt Berührungen, die dir gut tun und dich richtig glücklich machen. Solche Berührungen sind für jeden Menschen wichtig. Es gibt aber auch solche, die unangenehm sind, dich verwirren, Angst machen oder sogar wehtun. Solche Berührungen darfst du zurüückweisen. Kein Erwachsener hat das Recht, seine Hände unter deine Kleider zu stecken und dich an der Scheide, am Penis, am Po oder an deiner Brust zu berühren. Es gibt Erwachsene, die möchten von dir so berührt werden, wie du es nicht willst, zum Beispiel an ihren Geschlechtsteilen. Niemand hat das Recht, dich dazu zu überreden oder zu zwingen, auch wenn du diesen Menschen kennst und gern hast.
    Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ist zentral in der Prävention sexueller Ausbeutung. Die Information, dass ein Kind sich Berührungen, die ihm unangenehm sind, nicht gefallen lassen muss, sollte Anlass sein, sexuelle Ausbeutung konkret zu benennen. Es gibt allerdings Körperkontakte, die lassen sich nicht vermeiden, so beispielsweise die ärztliche Untersuchung nach einem Unfall.

  4. Das Recht auf NEIN

    Du hast das Recht, Nein zu sagen. Wenn dich jemand gegen deinen Willen anfassen will oder Dinge von dir verlangt, die du nicht tun willst, dann darfst du Nein sagen und dich wehren. Lass uns gemeinsam überlegen, in welchen Situationen es sinnvoll ist, nicht zu gehorchen und mit welchen Mitteln du dich wehren kannst
    Sexuelle Gewalt ist eine Grenzüberschreitung und Neinsagen ist eine notwendige Grenzziehung. Mädchen und Jungen sollen darin bestärkt werden, eigene wie auch fremde Grenzen zu spüren, ernst zu nehmen und zu respektieren.

  5. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse

    Es gibt gute Geheimnisse, die Freude machen und spannend sind, zum Beispiel wenn du jemanden mit einem Geschenk überraschen willst. Schlechte Geheimnisse bedrücken und machen Angst, sie fühlen sich schwer und unheimlich an. Solche Geheimnisse, die dir ein ungutes Gefühl geben, sollst du unbedingt weiter sagen, auch wenn du versprochen hast, es nicht zu tun. Das hat nichts mit Petzen zu tun.
    Der Geheimhaltungsdruck ist ein zentraler traumatisierender Faktor bei sexueller Ausbeutung. Die Unterscheidung in gute und schlechte Geheimnisse dient der Aufdeckung von tabuisierten Themen.

  6. Das Recht auf Hilfe

    Wenn dich ein schlechtes Geheimnis belastet oder du etwas Unangenehmes erlebt hast, bitte ich dich, es mir oder einer anderen Person, der du vertraust, zu erzählen. Dann können wir versuchen, dir zu helfen. Höre bitte nicht auf zu erzählen, bis dir jemand glaubt. Lass uns gemeinsam überlegen, mit welchen Menschen du über «schwierige» Dinge reden kannst.
    Gut informierte und selbstbewusste Kinder können sich unter Umständen gegen die Anfänge von sexuellem Missbrauch wehren. Dennoch kann jedes Kind in eine Situation kommen, in der es Hilfe braucht. Wichtig für Mädchen und Jungen ist der Hinweis, dass sie in Schwierigkeiten Hilfe suchen und mit einer Person ihrer Wahl über ihre Probleme reden sollen.

  7. Du bist nicht schuld!

    Wenn du es erlebt hast oder es dir passiert, dass ein Erwachsener oder ein älteres Kind dich sexuell ausbeutet, so bist du nicht daran schuld. Auch dann nicht, wenn du versucht hast, dich zu wehren. Es gibt Erwachsene, die übergehen trotzdem deine Grenzen. Vielleicht konntest du dich auch nicht wehren, weil deine Angst zu gross war. In keinem Fall bist du an der Ausbeutung schuld, egal was der Täter (oder die Täterin) behauptet. Er trägt immer die Verantwortung für das, was er dir angetan hat.
    Der Glaube an die Mitschuld des Opfers hält sich hartnäckig – nicht nur bei den Betroffenen selbst. Sie müssen von Schuldgefühlen entlastet und die Verantwortung für die Ausbeutung klar dem Täter zugewiesen werden.

Am Ende des Vortrages wurden viele Fragen beantwortet, und die Eltern hatten die Möglichkeit, ausgewählte Literatur zu kindgerechter Sexualerziehung und allgemeiner Prävention sowie Jugendbücher einzusehen. Limita hat verschiedene aktuelle Informationsbroschüren zum Thema herausgegeben, welche unter www.limita-zh.ch(link is external) bezogen werden können.

Das Elternforum der Schule Meiliwiese dankt Frau Iten und Frau Elmer für den gelungenen Abend und allen Eltern, welche am Vortrag waren, für das bekundete Interesse zum nicht einfachen Thema.

Sabine Sutter, Elternforum Meiliwiese.